Erste-Hilfe-Mythen (Teil 1): Wunden


Erste Hilfe KreuzFachgerechte Erste-Hilfe-Maßnahmen lernen die meisten Menschen nur einmal im Leben. Oft geschieht das beim verpflichtenden Erste-Hilfe-Kurs als Vorbereitung für den Führerschein. Im Anschluss schwindet das Wissen nach und nach aus dem Gedächtnis.

Manche Maßnahmen veralten im Lauf der Jahre und entsprechen nicht mehr dem neuesten medizinischen Kenntnisstand. Als Folge kursieren dann teilweise fehlerhafte Praktiken, die mitunter mehr schaden als helfen.

Häufig wird auch in Film und Fernsehen ein realitätsfernes Bild von medizinischen Maßnahmen vermittelt, wo sie aus dramaturgischen Gründen oft verfälscht dargestellt sind. Teil 1 der Artikelserie zu Erste-Hilfe-Mythen beschäftigt sich mit der Versorgung von Wunden.

 

Die folgenden Maßnahmen beschränken sich auf leichte Fälle, die keinen bedrohlichen Notfall darstellen und die mit keiner bereits bestehenden, schweren Erkrankung zusammenhängen.

Mythos 1: Bei Nasenbluten den Kopf in den Nacken legen?

Nasenbluten ist meistens relativ harmlos und verschwindet ohne besondere Behandlung wieder. Vor allem bei Kindern kann Nasenbluten spontan und ohne besonderen Grund auftreten. In Hinblick auf Erste-Hilfe-Maßnahmen kann man jedoch das ein oder andere falsch machen!

BlutDer größte Fehler und Grund für Komplikationen besteht darin, den Kopf in den Nacken zu legen – in der Hoffnung, den Blutverlust einzudämmen.

Dies kann dazu führen, dass das Blut den Rachen hinunterläuft und im Magen – oder noch schlimmer – in der Luftröhre bzw. den Atemwegen landet. Im Magen sorgt die Magensäure für eine Verklumpung des Blutes, was Übelkeit verursacht und bis zum Erbrechen führen kann. In der Lunge hingegen können die Atemwege verkleben und die Atmung behindern, was unbedingt zu vermeiden ist.

Auch sollte man keine Watte, Taschentücher etc. in die Nase stecken. Dies würde die Blutung eventuell zunächst stoppen, beim Herausziehen könnten die Wunden an den empfindlichen, feinen Blutgefäße wieder aufgehen und erneut bluten.

besserwisser-iconBesser ist also bei Nasenbluten:
  • eine aufrechte Sitzposition. Dadurch kann das Blut nicht den Rachen herunterlaufen.
  • etwas Kühles in den Nacken legen. Dies sorgt dafür, dass sich die größeren Blutgefäße im Nacken zusammenziehen und somit weniger Blut in Richtung Nase geleitet wird.
  • Wenn die Blutung im unteren Bereich der Nase liegt, die Nasenflügel zusammendrücken – am besten durchgehend für 10 Minuten. Der so ausgeübte Druck verschließt die offenen Blutgefäße.

Abwägungssache: Einfach bluten lassen

Manchmal wird auch empfohlen, das Blut aus der Nase herauslaufen lassen[1]https://www.apotheken-umschau.de/mein-koerper/nasenbluten-epistaxis-selbsthilfe-ursachen-therapie-739273.html. Die Nachteile sind

  • Ein gewisser Blutverlust
  • Ein möglicherweise unangenehmer Anblick, wenn man kein Blut sehen kann

Diese Variante ist also Abwägungssache und davon abhängig, wie gut die betroffene Person den (geringen) Blutverlust oder den Anblick von Blut verkraften kann.

Die genannten Maßnahmen sind in den meisten Fällen von Nasenbluten ausreichend. Bei schwerwiegenden Fällen benötigt man mitunter rettungsdienstliche bzw. ärztliche Hilfe. Dies kann zum Beispiel bei bestimmten Vorerkrankungen mit hoher Blutungsneigung der Fall sein. Nehmen Patienten gerinnungshemmende Medikamente[2]https://www.gesundheitsinformation.de/was-sind-gerinnungshemmer.html („Blutverdünner“) ein, kann auch das für Komplikationen sorgen. Dann nämlich hört das Nasenbluten nicht ohne Weiteres auf und muss ggf. ärztlich durch Verödung[3]https://www.dr-gumpert.de/html/nasenbluten_veroeden.html gestoppt werden.

Mythos 2: Sollte man Verbrennungen kühlen?

Verbrennungen und Verbrühungen sind oft äußerst schmerzhaft. Ähnlich wie bei anderen Verletzungen, darunter wie Bienen- und Wespenstiche, Beulen oder Verstauchungen versprechen verschiedene Maßnahmen eine Linderung oder gar Heilung.

brennt wie FeuerDabei bewirkt Kälte lediglich, dass der Schmerz gedämpft wird.

Die niedrigere Temperatur verringert die Reizweiterleitung der Nerven, die den Schmerzreiz ans Gehirn übermitteln. Die Gewebeschädigung durch den Kontakt mit heißen Objekten oder Flüssigkeiten tritt allerdings schon innerhalb von Sekundenbruchteilen ein. Deshalb ist es bereits zu spät – auch wenn man noch so schnell zum Kühlpack oder kaltem Wasser greift.

Außer Schmerzlinderung bringt die Kälteanwendung also nichts – außer vielleicht in psychologischer Hinsicht: Jede Maßnahme, die zwar wirkungslos, aber auch nicht schädlich ist, kann nämlich beruhigend auf den Patienten wirken (Placebo-Effekt[4]https://www.health.harvard.edu/mental-health/the-power-of-the-placebo-effect). Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt bei Kindern[5]https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/placeboeffekt-so-wirkt-er/.

besserwisser-iconKühlen bei leichten Verbrennungen/Verbrühungen
  • kann den Schmerz lindern
  • kann beruhigend wirken
  • … bewirkt keine schnellere oder bessere Heilung

Kühlen als Erste-Hilfe-Maßnahme ist nur für leichte Verbrennungen bzw. Verbrühungen angebracht, insbesondere an Händen, Armen und Beinen. Das Wasser sollte auch nicht allzu kalt sein, sondern eher lauwarm. Denn kaltes Wasser verringert die Durchblutung und somit die Wundheilung, oder führt unter Umständen sogar zu Erfrierungen[6]https://stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/notfall-erste-hilfe/richtig-handeln-bei-verbrennungen-vorsicht-mit-dem-kuehlen[7]https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/verbruehungen-oder-verbrennungen-mit-handwarmem-wasser-kuehlen/.

Am Körperstamm (Oberkörper, Bauch…) darf aufgrund der Gefahr einer Unterkühlung nicht gekühlt werden. Auch bei schwereren Fällen, also zum Beispiel großflächige oder mit offenen Wunden bzw. Blasenbildung einhergehende Verbrennungen, ist diese Erstmaßnahme nicht ausreichend. Dann ist eine rettungsdienstliche/ärztliche Behandlung vonnöten.

Mythos 3: Müssen Wunden gereinigt werden?

Hand reinigenZu den häufigsten Verletzungen im Alltag gehören Schürfwunden – als Folge von kleinen Missgeschicken, Unfällen wie z.B. Stürzen oder auch Gewalteinwirkung. Bei offenen Verletzungen der Haut kann Schmutz in die Wunde gelangen oder an den Wundrändern zurückbleiben.

In Bezug auf die Reinigung von Wunden herrscht große Uneinigkeit, inweit dies sinnvoll oder sogar schädlich sein könnte.

Selbst seriöse Quellen wie das Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund oder Ärzteportale geben unterschiedliche Empfehlungen [8]https://www.drk.de/hilfe-in-deutschland/erste-hilfe/wundbehandlung/verbote-bei-wunden/[9]https://www.asb.de/unsere-angebote/erste-hilfe/erste-hilfe-tipps/erste-hilfe-bei-schnittwunden[10]https://www.dr-gumpert.de/html/erste_hilfe_wunden.html.

Generell besteht bei den meisten, kleineren Wunden keine Notwendigkeit, diese zu reinigen. Blutende Wunden reinigen sich in gewisser Weise selbst, indem Schmutz und Keime fortgeschwemmt werden. Sobald die Blutgerinnung einsetzt, verschließt sich die Wunde und bildet eine Barriere für weitere Keime. damit diese nicht in den Körper eindringen.

Wundreinigung als Infektionsschutz

Bei stark verschmutzten Wunden hingegen kann eine Reinigung sinnvoll sein – andernfalls wäre ein Pflaster auch schwierig anzubringen. Auch bei Verätzungen ist es absolut nötig, lange und mit viel Wasser zu spülen.

Bakterien KrankheitserregerDie Krux beim Reinigen: Das Herumhantieren reizt die verletzte Stelle noch weiter und ist meist unangenehm oder schmerzhaft. Des Weiteren erhöht man das Risiko einer Infektion mit Keimen, die durch unsaubere Hände übertragen werden können. Darum sollte eine Wunde immer nur mit frischen Einmalhandschuhen oder mit gewaschenen Händen berührt werden.

Auch kann das verwendete Wasser eine zusätzliche Quelle für Verunreinigungen bzw. Keime sein, wenn es sich nicht um steriles Wasser oder Kochsalzlösung handelt.

besserwisser-iconDas reinigen von Wunden …
  • … ist je nach Expertenmeinung mehr oder weniger sinnvoll
  • kann zusätzliche Keime in die Wunde bringen
  • … sollte wenn überhaupt möglichst steril erfolgen

Sehr tiefe Wunden dürfen definitiv nicht von Laien gereinigt werden, sondern erfordern eine Versorgung durch medizinisches Fachpersonal[11]https://www.praktischarzt.de/behandlung/wundversorgung/schnittwunde/. Dabei erfolgt neben einer fachgerechten Spülung mit steriler Lösung auch das Verschließen der Wunde (durch Nähen, Kleben oder Klammern). Auch eine Tetanus-Impfung sowie Antibiotikatherapie kann ein weiteren Bestandteil der Wundversorgung sein [12]https://www.praktischarzt.de/behandlung/wundversorgung/schnittwunde/.

Die Lehrmeinungen klaffen auseinander

Dass es verschiedene Vorgehensweisen und Empfehlungen zur Wundreinigung gibt, kann mehrere Gründe haben. Zunächst einmal sollte man unterscheiden, worauf man bei der Reinigung von Wunden abzielt:

  1. Das Entfernen von sichtbarem Schmutz, Staub und sonstigen kleineren Fremdkörpern
  2. Das Entfernen/Neutralisieren von Krankheitserregern zur Vermeidung von Infektionen

Während Punkt 1.) oft nur aus ästhetische Gründen erfolgt (eine saubere Wunde sieht schon deutlich gesünder aus!), geht es bei Punkt 2.) darum, Infektionen durch eintretende Keime wie etwa Bakterien zu verhindern. Zwar geht von Schmutzpartikeln selbst meist keine große Gefahr aus. Dahingegen können Infektionen durch Krankheitserreger einen unschönen Verlauf nehmen und in seltenen Fällen gefährlich oder gar tödlich werden[13]https://mediset.de/wundinfektionen/.

Allerdings: Das Infektionsrisiko 100-prozentig zu vermeiden, ist nicht möglich, selbst wenn man noch so gründlich reinigt oder gar desinfiziert.

bakterien-viren-pilze
Wunden können sich im schlimmsten Fall durch Krankheitserreger, u. a. Bakterien, infizieren. Besonders gefürchtet: Clostridium tetani. Dieser Erreger kann Wundstarrkrampf (Tetanus) hervorrufen.[14]https://flexikon.doccheck.com/de/Tetanus
Denn: Schon im Moment der Verletzung gelangt der ein oder andere Keim in die Wunde und anschließend in die Blutbahn.

Schließlich befinden sich auf der Haut, in der Luft sowie auf jeglichen Gegenständen unzählige Bakterien, Pilze und andere Mikroorganismen. Sind diese erst einmal in den Blutkreislauf eingedrungen, kann man sie auch durch oberflächliches Spülen der Wunde nicht entfernen. Wenn überhaupt können also nur diejenigen Keime weggespült werden, die sich auf der Wundoberfläche oder in unmittelbarer Nähe der Wunde befinden.

Glücklicherweise sind die meisten dieser Keime entweder ungefährlich oder werden durch das Immunsystem des Körpers abgetötet.

Lesetipps

Verweise

Verweise
1https://www.apotheken-umschau.de/mein-koerper/nasenbluten-epistaxis-selbsthilfe-ursachen-therapie-739273.html
2https://www.gesundheitsinformation.de/was-sind-gerinnungshemmer.html
3https://www.dr-gumpert.de/html/nasenbluten_veroeden.html
4https://www.health.harvard.edu/mental-health/the-power-of-the-placebo-effect
5https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/psychologie/placeboeffekt-so-wirkt-er/
6https://stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/notfall-erste-hilfe/richtig-handeln-bei-verbrennungen-vorsicht-mit-dem-kuehlen
7https://www.kinderaerzte-im-netz.de/news-archiv/meldung/article/verbruehungen-oder-verbrennungen-mit-handwarmem-wasser-kuehlen/
8https://www.drk.de/hilfe-in-deutschland/erste-hilfe/wundbehandlung/verbote-bei-wunden/
9https://www.asb.de/unsere-angebote/erste-hilfe/erste-hilfe-tipps/erste-hilfe-bei-schnittwunden
10https://www.dr-gumpert.de/html/erste_hilfe_wunden.html
11, 12https://www.praktischarzt.de/behandlung/wundversorgung/schnittwunde/
13https://mediset.de/wundinfektionen/
14https://flexikon.doccheck.com/de/Tetanus
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