Film-Mythos: Ganzkörperbemalung führt zum Erstickungstod
Die Bemalung des ganzen Körpers mit Farbe (oder vielmehr mit Gold) führt angeblich zum Tod durch Ersticken, da die Haut keinen Sauerstoff mehr aufnehmen kann. Durch den Film James Bond 007 – Goldfinger (1964) hat dieser Mythos Bekanntheit erlangt.
Hautatmung nimmt beim Menschen allerdings keinen großen Stellenwert für die Sauerstoffversorgung des Körpers ein. Im Gegensatz zu verschiedenen Würmern, Nesseltieren und weiteren nichtmenschlichen Lebewesen atmet unsereins vor allem mithilfe der Lungen[1]https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/hautatmung/5315.
Mythos Hautatmung: Einfach erklärt
Wir Menschen atmen mithilfe unserer Lungen. Dadurch kommt Sauerstoff in unseren Körper. Über die Haut wird auch Sauerstoff aufgenommen – aber nur sehr wenig.
Wenn die Haut mit Farbe oder Gold überzogen wird (wie im James-Bond-Film „Goldfinger“), ist das also nicht weiter schlimm für die Versorgung mit Sauerstoff.
Es kann dabei nicht passieren, dass man erstickt. Im Film Goldfinger wird das also falsch dargestellt.
Es kann trotzdem gefährlich werden, weil dadurch das Schwitzen verhindert wird. Wenn der Schweiß nicht durch die Haut kommt, kann der Körper bei großer Hitze nicht gekühlt werden. Außerdem sind manche Farben für die Haut giftig. Darum sind nur bestimmte Farben dafür geeignet, die Haut zu bemalen.
Was Hautatmung eigentlich ist
Bereits 1851 wurde die Hautatmung beim Menschen beschrieben[2]von Gerlach, J. (1851): Ueber das Hautathmen. In: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin. pp. 431–455. Sie basiert auf dem passiven Gasaustausch durch Diffusion und versorgt damit die Haut bis zu einer Tiefe von etwa 0,25 bis 0,4 mm mit Sauerstoff. Je nach Körperregion ist die menschliche Haut bis zu mehreren Millimetern dick[3]https://www.netdoktor.de/anatomie/haut/.
Die auf diesem Weg in den Körper transportierte Sauerstoffmenge macht dabei etwa 0,4 % des Sauerstoffs aus, der über die Lungen aufgenommenen wird. Dies ermittelten deutsche Forscher mithilfe eines Spezialsensors auf der Haut menschlicher Probanden [4]Stücker, M., Struk, A., Altmeyer, P., Herde, M., Baumgärtl, H., & Lübbers, D. W. (2002). The cutaneous uptake of atmospheric oxygen contributes significantly to the oxygen supply of human … Weiterlesen.
Damit stellt die Haut die einzige Körperregion dar, die nicht überwiegend mithilfe der Lungenatmung über das Blut mit Sauerstoff versorgt wird.
Was passiert also, wenn die Sauerstoffaufnahme über die Haut durch eine Ganzkörperbemalung blockiert würde? In der Sauerstoffbilanz würde lediglich ein Anteil von ca. 0,4% ausbleiben. Da die Haut mit Kapillargefäßen durchzogen ist, erreichen die restlichen 99,6 % des Sauerstoffs neben allen anderen Organen auch die Haut.
Entsprechend würde weiterhin ausreichend Sauerstoff zur Verfügung stehen (eine intakte Lungenatmung vorausgesetzt).
Logischerweise verhält es sich anders, würde statt dem unbedenklichen Gold eine Farbe mit giftigen Inhaltsstoffen verwendet werden.
Nicht jede Art von Farbe ist hautverträglich und kann mitunter reizende, krebserregende oder allergieauslösende Komponenten wie Schwermetalle oder Lösemittel enthalten[5]https://www.selbst.de/gesundheitsrisiko-farben-und-lacke-9428.html[6]https://www.eltern-kind-tipps.de/6770/fingerfarben-test/.
Darum darf zum Beispiel für Body Painting ausschließlich speziell geeignete, ungifte Farbe zum Einsatz kommen.
Farbschicht blockiert Feuchtigkeit
Sauerstoff ist nicht der einzige Stoff, der die Hautbarriere über deren Poren durchquert. Schweiß muss diese ebenfalls passieren. Durch Schwitzen wird unsere Körpertemperatur reguliert, wenn die Umgebung zu warm ist.
Wird dieser Mechanismus aufgrund von verschlossenen Poren außer Funktion gesetzt (Anhidrose[7]https://www.netdoktor.de/symptome/anhidrose/), kann eine gefährliche Überhitzung einsetzen.
Woher kommt der Mythos?
Seit wann der Mythos vom Haut-Erstickungstod umhergeistert, ist nicht leicht festzustellen. Weltweite Bekanntheit hat er sicherlich durch den bereits genannten James-Bond-Film Goldfinger erlangt. In diesem ermordete der Bösewicht Auric Goldfinger eine Frau auf die beschriebene Weise und hinterließ dabei seine goldene Handschrift.
Es heißt, dass sogar das Produktionsteam selbst von dem Mythos überzeugt war und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen traf, um die Schauspielerin Shirley Eaton nicht zu gefährden[8]https://www.messynessychic.com/2013/11/25/how-they-painted-bonds-golden-girl.
Eaton unterzog sich sogar im Alter von 78 Jahren medienwirksam einer erneuten Goldbemalung und ließ damit den ikonischen Goldfinger-Look noch einmal aufleben[9]https://www.dailymail.co.uk/news/article-3286745/Still-gleaming-Half-century-Goldfinger-Bond-girl-Shirley-Eaton-recreates-famous-look-MailOnline.html.
Ein weniger bekannter, aber ähnlicher Vorfall trug sich auch während des Drehs von Der Zauberer von Oz aus dem Jahr 1939 zu. Der für die Rolle des Zinnmanns vorgesehene Schauspieler Buddy Ebsen wurde mit einer Mischung aus weißer Gesichtsfarbe und Aluminiumstaub bemalt.
Nach einigen Tagen litt dieser an Atemproblemen, Krämpfen und schließlich bedrohlichem Lungenversagen. Daraufhin verbrachte er zwei Wochen im Krankenhaus und musste durch den Schauspieler Jake Haley ersetzt werden, der es letztendlich auf die Leinwand schaffe [10]https://www.thoughtco.com/tin-man-toxic-makeup-3975975. Allerdings kamen die Beschwerden Haleys durch den eingeameten Aluminiumstaub zustande – womöglich litt Ebsen sogar an einer Alluminiumallergie.
Sean Connery alias James Bond erklärt in Goldfinger nach der Ermordung von Shirley Eatons Charakter Jill Masterson den (wissenschaftlich unsinnigen) Hergang des Todes so: Der goldene Hautüberzug verursachte den Tod durch „skin asphyxiation“ („Hauterstickung“).
Diese Gefahr, so Bond, sei auch von Tänzerinnen bekannt, die vor Kabarettvorstellung absichtlich eine kleine Stelle am Körper unbemalt lassen – um nicht ebendieses tödliche Schicksal zu erleiden, dass seiner goldumhüllten Gespielin im Film wiederfahren ist…
Lesetipps
Nach obenVerweise
⇡1 | https://www.spektrum.de/lexikon/biologie-kompakt/hautatmung/5315 |
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⇡2 | von Gerlach, J. (1851): Ueber das Hautathmen. In: Archiv für Anatomie, Physiologie und wissenschaftliche Medicin. pp. 431–455 |
⇡3 | https://www.netdoktor.de/anatomie/haut/ |
⇡4 | Stücker, M., Struk, A., Altmeyer, P., Herde, M., Baumgärtl, H., & Lübbers, D. W. (2002). The cutaneous uptake of atmospheric oxygen contributes significantly to the oxygen supply of human dermis and epidermis. The Journal of physiology, 538(Pt 3), 985–994. |
⇡5 | https://www.selbst.de/gesundheitsrisiko-farben-und-lacke-9428.html |
⇡6 | https://www.eltern-kind-tipps.de/6770/fingerfarben-test/ |
⇡7 | https://www.netdoktor.de/symptome/anhidrose/ |
⇡8 | https://www.messynessychic.com/2013/11/25/how-they-painted-bonds-golden-girl |
⇡9 | https://www.dailymail.co.uk/news/article-3286745/Still-gleaming-Half-century-Goldfinger-Bond-girl-Shirley-Eaton-recreates-famous-look-MailOnline.html |
⇡10 | https://www.thoughtco.com/tin-man-toxic-makeup-3975975 |