Irrtümliches Halbwissen: Pflanzen verwandeln Kohlendioxid in Sauerstoff und verbessern die Luft

Pflanzen spielen im ökologischen Kreislauf des Lebens eine unverzichtbare Rolle. So sind sie dafür bekannt, Kohlenstoffdioxid (CO2) in für Tiere und Menschen verwertbaren Sauerstoff (O2) umzuwandeln und außerdem die Grundlage für deren Nahrung zu bilden.

Neben dem von uns ausgeatmeten CO2 benötigen sie dafür Wasser und die Energie aus Sonnenlicht. Allerdings: Pflanzen produzieren zwar Sauerstoff, sie verbrauchen ihn jedoch teilweise wieder. Auch ihre Fähigkeit zur Luftreinigung ist gering ausgeprägt. Ihr Einfluss auf saubere, frische Luft wird also überschätzt!

Pflanzen und Sauerstoff: Einfach erklärt

Der Sauerstoff in der Luft ist für Menschen und Tiere lebenswichtig. Sie können ihn aber nicht selbst herstellen. Sie müssen ihn über die Atmung aufnehmen. Dabei wird der Sauerstoff (O2) verbraucht und in Kohlendioxid (CO2) umgewandelt. Dieses Gas wird wieder ausgeatmet. Auf diese Weise gewinnen wir Energie, die wir für unsere Muskeln oder zum Denken verwenden.

Anders ist das bei Pflanzen, also auch bei Bäumen. Sie können Kohlendioxid aufnehmen und Sauerstoff herstellen – durch die sogenannte Fotosynthese.

Das Problem dabei ist: Die Pflanzen brauchen dafür Sonnenlicht. Sie stellen Sauerstoff also nur dann her, wenn die Sonne scheint. Nachts, an schattigen Orten oder in der Wohnung passiert das nicht. Während dieser Zeit verbrauchen Pflanzen sogar Sauerstoff aus der Luft und erzeugen CO2 – genau wie wir Menschen. Dabei geht ein Teil vom Sauerstoff wieder verloren, den die Pflanze am Tag hergestellt hat.

Es ist auch nicht richtig, dass Zimmerpflanzen die Qualität der Luft verbessern. Sie stellen viel weniger Sauerstoff her, als ein Mensch am Tag braucht. Außerdem verbrauchen die Pflanzen selbst einen Teil des Sauerstoffs.

Viele Leute wissen gar nicht: Pflanzen sind nicht die einzigen Lebewesen, die Sauerstoff herstellen.

Der meiste Sauerstoff kommt sogar von anderen Lebewesen, nämlich von Blaualgen. Diese Mikroorganismen gehören zu den Bakterien und leben schon seit Milliarden von Jahren auf der Erde. Dank ihnen enthält die Luft auf der Erde Sauerstoff. Selbst wenn es gar keine Pflanzen gäbe, wäre also genug Sauerstoff auf der Welt.

Sorgen Wald und Pflanzen für gute Luft?

Wissenschaftlich: Fotosynthese und Atmung bei Pflanzen

Pflanzen gelten als Sauerstoffproduzenten, Wälder als die grünen Lungen unseres Planeten. Schließlich betreiben sie mit der Fotosynthese eine der essentiellen biochemischen Vorgänge des Lebens, der in spezialisierten zellulären Unterheiten (Chloroplasten) abläuft.

Dabei werden in der Gesamtbetrachtung Kohlendioxid und Wasser unter Einwirkung von Sonnenlicht in Sauerstoff und Glucose (Traubenzucker), den einfachsten und wichtigsten Zucker, umgewandelt:

6 CO2 + 6 H2O → 6 O2 + C6H12O6

Dazu wird Wasser aus der Erde oder aus Gewässern (im Fall von Wasserpflanzen oder Fotosynthese-betreibenden Mikroorganismen) sowie CO2 aus der Luft aufgewendet.

Pflanzen stellen Sauerstoff durch Fotosynthese her
Pflanzen erzeugen durch Fotosynthese Sauerstoff.

Tatsächlich entsteht allerdings der Sauerstoff nicht unmittelbar aus dem CO2 , was bis ins Jahr 1937 angenommen wurde[1]https://www.co2online.de/service/klima-orakel/beitrag/verwandeln-pflanzen-co2-in-sauerstoff-8678/.

Vielmehr wird in einem ersten Schritt Wasser mithilfe von Lichtenergie gespalten (Lichtreaktion – findet nur im Hellen statt), wodurch Sauerstoff sowie energiereiche Zwischenprodukte entstehen. In einem separaten Schritt (Dunkelreaktion, kann ohne Licht ablaufen) wird Kohlendioxid unter Nutzung der energiereichen Moleküle (und ebenfalls Wasser) zu Glucose umgewandelt.

Die oben aufgeführte Fotosynthesegleichung ist deshalb als Gesamtbilanz zu sehen.

Der gebildete Sauerstoff wird an die Luft abgegeben. Die wasserlösliche Glucose wird entweder von der Pflanze direkt verbraucht oder gespeichert. Überschüssige Glucose kann beispielsweise in wasserunlösliche Stärke umgewandelt und in Wurzeln, Knollen oder Samen eingelagert werden.

Was mit dem Sauerstoff noch passiert

Neben der Fotosynthese findet in Pflanzen noch ein weiterer Prozess, statt – die Fotorespiration. Dabei wird Sauerstoff verbraucht und Kohlendioxid erzeugt.

Dies geschieht in den meisten Pflanzen interessanterweise durch das gleiche Enzym, das in der Fotosynthesereaktion den Abbau von Kohlendioxid bewerkstelligt.

Fotorespiration findet umso intensiver statt, je höher das vorhandene Verhältnis von Sauerstoff zu Kohlendioxid ist.

Insbesondere bei heißem, sonnigen Wetter verschließen Pflanzen die Blattporen, sodass weniger Wasser durch Verdunstung verloren geht. Dadurch gelangt weder Kohlendioxid in die Blätter hinein, noch Sauerstoff nach außen.

Da durch Fotosynthese nun mehr und mehr Sauerstoff entsteht und Kohlendioxid zugleich verbraucht wird, erhöht sich das Verhältnis von O2 zu CO2 und damit auch das Ausmaß an Fotorespiration.

Einige, an die Hitze angepassten Pflanzenarten haben vorteilhaftere, biochemische Mechanismen für eine effizientere Fotosynthese entwickelt. Diese betreiben Fotorespiration zu einem geringem Grad (die sogenannten C4- und CAM-Pflanzen[2]https://de.khanacademy.org/science/biology/photosynthesis-in-plants/photorespiration–c3-c4-cam-plants/a/c3-c4-and-cam-plants-agriculture).

Pflanzen: Nicht die wichtigste Quelle von Sauerstoff?

Die Bildung von Sauerstoff in der Erdatmosphäre hat bereits vor ca. 3,5 Milliarden Jahren begonnen. Cyanobakterien und Phytoplankton waren lange Zeit die einzigen Organismen auf dem Planeten, die Fotosynthese betrieben haben.

Es wird geschätzt, dass diese für die Entstehung von 50 bis 80 Prozent des weltweit vorhandenen Sauerstoffs verantwortlich sind[3]Chapman, R.L. Algae: the world’s most important “plants”—an introduction. Mitig Adapt Strateg Glob Change 18, 5–12 (2013). https://doi.org/10.1007/s11027-010-9255-9.

Auf dem Land wachsende Pflanzen tragen hingegen erst seit ca. 470 Millionen Jahren zur Sauerstoffsynthese bei [4]https://ocean.si.edu/ocean-life/plankton/every-breath-you-take-thank-ocean.Ozean-Sauerstoff

Filtern Zimmerpflanzen Schadstoffe aus der Luft?

Oft wird Zimmerpflanzen nachgesagt, dass sie Schadstoffe wie Formaldehyd oder Benzol aus der Umgebungsluft herausfiltern. Dies kann tatsächlich unter Laborbedingungen nachgewiesen werden und ist damit in kleinem Ausmaß richtig, wie unter anderem eine Studie der NASA aus dem Jahr 1989 zeigte[5]https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/19930073077.pdf. Jedoch wirkt sich dieser Effekt in Innenräumen nicht spürbar aus. Um die Luftqualität in einer Wohnung merklich zu verbessern, wären hunderte von Pflanzen nötig[6]https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2019/11/leere-werbeversprechen-pflanzen-sind-schlechte-luftreiniger[7]https://www.rnd.de/lifestyle/zimmerpflanzen-welche-auswirkungen-haben-sie-auf-unser-raumklima-LFZYHR6AXNGTBJTC6HUJXKIEQU.html.

Damit entpuppt sich eine weitere, vermeintliche Wunderwirkung von Pflanzen als Mythos. Nichtsdestotrotz bleibt die reinigende Kraft von Zimmerpflanzen ein gutes Verkaufsargument, das nicht einmal gelogen, aber stark übertrieben ist.

Woher kommt der Mythos?

Schon vor Jahrhunderten befassten sich Wissenschaftler mit dem Zusammenhang zwischen Pflanzen und „guter“ Luft[8]http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d24/24.htm[9]http://photobiology.info/History_Timelines/Hist-Photosyn.html.

Chemielabor-WissenschaftsmythosVerschiedenste Forscher leisteten ihren Beitrag zu der Erkenntnis, dass Pflanzen für die Herstellung eines Stoffs (Sauerstoff) verantwortlich waren, der für andere Lebewesen (Tiere) lebenswichtig ist[10]https://www2.vobs.at/bio/botanik/b-photosynthese-1.php.

Bereits um das Jahr 1800 wurde erkannt, dass Kohlendioxid den „schlechten“ Teil und Sauerstoff den „guten“ Anteil der Luft ausmachten, und dass Pflanzen mithilfe von Lichteinwirkung ersteres verbrauchen und letzteres produzieren.

Damit war die Fotosynthesegleichung im wesentlichen identifiziert worden.

Des Weiteren wurde klar, dass die Menge an freigesetztem Sauerstoff genau der Menge an verbrauchtem Kohlendioxid entsprach. Als scheinbar folgerichtig war also anzunehmen, dass Pflanzen offenbar Kohlendioxid in Sauerstoff verwandeln. Und da auch der Zusammenhang zwischen Sauerstoff und dem Überleben von Versuchstieren erkannt wurde, bekamen Pflanzen die noch heute oftmals vertretene Rolle als Luftverbesserer zugewiesen.

Dass die Sauerstoffmoleküle aus dem Wasser und nicht direkt aus dem aufgenommenen Kohlendioxid stammen, konnte schließlich erst 1941 nachgewiesen werden[11]Heavy Oxygen (O18) as a Tracer in the Study of Photosynthesis. Samuel Ruben, Merle Randall, Martin Kamen, and James Logan Hyde. Journal of the American Chemical Society 1941 63 (3), 877-879. DOI: … Weiterlesen, als Forscher mit dem radioaktiven Sauerstoffisotop 18O den genauen, biochemischen Weg der Moleküle nachverfolgten.

Wenige Jahre zuvor wurde gezeigt, dass Sauerstoff von Chloroplasten auch in Abwesenheit von Kohlendioxid erzeugt wird[12]Hill, R. (1937). „Oxygen Evolved by Isolated Chloroplasts“. Nature. 139 (3525): 881–882. Bibcode:1937Natur.139..881H. doi:10.1038/139881a0. S2CID 4095025..

Dass den Pflanzen übermäßig produktive Eigenschaften nachgesagt werden, ist also auf einen veralteten Wissensstand zurückzuführen. Dieser wiederum beruht darauf, dass naheliegende Schlussfolgerungen aus Beobachtungen gezogen wurden, denen in Wirklichkeit komplexere Umstände zugrunde liegen.

Fazit

Pflanzen bilden neben Tieren, Pilzen und verschiedenen Einzellern eine der großen Gruppen (bzw. Reiche) von Lebewesen der Erde. Als „grüne Lunge“ werden Grünflächen inmitten von Städten oft betitelt, da sie der allgemeinen Auffassung zufolge einen Beitrag für unsere Luftqualität leisten.

Das ist leider nicht ganz so richtig, da sie einen großen Teil des produzierten Sauerstoffs selbst verbrauchen. Auch sind sie nur in geringem Maß in der Lage, Schadstoffe aus der Luft zu filtern. Zimmerpflanzen haben also vorwiegend einen dekorativen und entspannungsfördernden Effekt. Im Stadtgebiet ist insbesondere der Kühlungseffekt angepflanzter Bäume und Sträucher von Belang. Dieser basiert auf der Verdunstung von Wasser, das durch die Pflanzen an die Luft abgegeben wird[13]https://infothek.bmk.gv.at/die-stadt-mit-pflanzen-kuehlen/.

Lesetipps

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Verweise

Verweise
1https://www.co2online.de/service/klima-orakel/beitrag/verwandeln-pflanzen-co2-in-sauerstoff-8678/
2https://de.khanacademy.org/science/biology/photosynthesis-in-plants/photorespiration–c3-c4-cam-plants/a/c3-c4-and-cam-plants-agriculture
3Chapman, R.L. Algae: the world’s most important “plants”—an introduction. Mitig Adapt Strateg Glob Change 18, 5–12 (2013). https://doi.org/10.1007/s11027-010-9255-9
4https://ocean.si.edu/ocean-life/plankton/every-breath-you-take-thank-ocean
5https://ntrs.nasa.gov/archive/nasa/casi.ntrs.nasa.gov/19930073077.pdf
6https://www.nationalgeographic.de/wissenschaft/2019/11/leere-werbeversprechen-pflanzen-sind-schlechte-luftreiniger
7https://www.rnd.de/lifestyle/zimmerpflanzen-welche-auswirkungen-haben-sie-auf-unser-raumklima-LFZYHR6AXNGTBJTC6HUJXKIEQU.html
8http://www1.biologie.uni-hamburg.de/b-online/d24/24.htm
9http://photobiology.info/History_Timelines/Hist-Photosyn.html
10https://www2.vobs.at/bio/botanik/b-photosynthese-1.php
11Heavy Oxygen (O18) as a Tracer in the Study of Photosynthesis. Samuel Ruben, Merle Randall, Martin Kamen, and James Logan Hyde. Journal of the American Chemical Society 1941 63 (3), 877-879. DOI: 10.1021/ja01848a512
12Hill, R. (1937). „Oxygen Evolved by Isolated Chloroplasts“. Nature. 139 (3525): 881–882. Bibcode:1937Natur.139..881H. doi:10.1038/139881a0. S2CID 4095025.
13https://infothek.bmk.gv.at/die-stadt-mit-pflanzen-kuehlen/
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